Schulbildung braucht mehr als Sprachkontakt
🔹 Bildung braucht mehr als Alltagssprache
Schule ist nicht einfach ein Ort, an dem gesprochen wird. Sie ist der Einstieg in eine Welt aus Begriffen, Kategorien, Ordnungen – eine Welt, die nicht durch Geplauder, sondern durch Struktur erschlossen wird.
Die Vorstellung, man könne Bildung in beliebigen, sprachlichen Szenerien ermöglichen, verkennt den Bildungsauftrag von Sprache:
Nicht die Verständigung steht im Vordergrund, sondern Verständnis – für Inhalte, Konzepte, Zusammenhänge.
🔹 Bildungssprache und Schule
Bildungssprache ist nicht elitär – sie ist gesellschaftlich ausgleichend und chancenproduzierend.
Sie schafft nicht Distanz, sondern Verbindung auf höherem Niveau.
Sie ermöglicht, was Alltagssprache oft verhindert: Teilhabe an abstraktem Denken, an institutioneller Ordnung, an öffentlichem Diskurs.
Sie ist das Werkzeug, mit dem Bildung funktioniert. Sie ist:
- abstrahierend (z. B. „im Gegensatz zu …“)
- strukturiert (z. B. Nebensätze, Passivformen, Operatoren)
- generalisierend und spezialsierend (z. B. Oberbegriffe und Fachvokabular)
- schriftlich geprägt (z. B. Kohärenz, Argumentationslogik)
Diese Sprache ist nicht angeboren – sie muss erlernt, erarbeitet und bewusst vermittelt werden.
Wenn Lehrkräfte auf Bildungssprache verzichten sollen, um „näher an der Lebenswelt“ der Kinder zu sein,
dann geben sie genau das auf, was Bildung leisten muss:
Überwindung der Begrenztheit des Alltags.
🔹 Didaktische Beliebigkeit ersetzt keine Bildung
Die Forderung, „alle Sprachen mitzubringen“, ist aber nicht realisierbar:
- Lehrer:innen können nicht 25 Sprachen gleichzeitig analysieren.
- Die meisten Schüler beherrschen ihre Erstsprache selbst nicht weder schriftlich noch mündlich.
- Ohne stabile Bildungssprache (hierzulande: Deutsch) können keine mathematisch/naturwissenschaflich/technischen Fächer erschlossen werden.
- Wer den Deutschunterricht zum emotionalen Begegnungsraum reduziert, verkennt seinen Auftrag als Zugang zu Bildung.
🔹 Bildungssprache stärken – nicht relativieren
Schulische Bildung ist der einzige Ort, an dem viele Kinder systematisch mit Bildungssprache in Kontakt kommen.
Wenn sie dort nicht angeboten, gepflegt und gefördert wird,
verliert das gesamte Bildungssystem seinen tragenden Rahmen.
🔚 Fazit: Klarheit ist kein Ausschluss
Bildungssprache ist kein Filter.
Sie ist die gemeinsame Plattform, auf der Menschen verschiedenster Herkunft einander begegnen können.
Wer sie weglässt, verwehrt gerade jenen den Zugang, die keine anderen Orte haben, um Sprache als Werkzeug der Emanzipation zu lernen.