Innovativ: Sprache-Lernen im Karussell (NÖN-Presseartikel) 27.05.2022

Foto: Petra Hauk

Die Zogelsdorferin Christine Kasem hat völlig neue Methode des Lernens einer Fremdsprache entwickelt.

Deutsch ist eine schwere Sprache, wenn man sie als Fremdsprache lernen möchte oder muss. Ein Beispiel gefällig? Für die Wörter „wieso, weshalb, warum, wofür und wozu“ hat das englische nur ein Wort: „why“. Spaß fällt einem da beim Thema Deutschlernen nicht zwingend als erstes ein. Warum dann nicht die trockenen Grundlagen mit spielerischen Ansätzen verbinden, dachte sich die Sprachwissenschaftlerin, Deutsch-Trainerin und Bildhauerin Christine Kasem aus Zogelsdorf und erfand ein spannendes Konzept: das Grammatik-Karussell.

Wie funktioniert dieses innovative Lernsystem? Kasem erklärt: „Die Idee dahinter ist, dass wir mit Strukturen lernen. Beim Grammatikkarussell arbeiten wir mit Satz- und Bildkarten, da ist es egal, was ich in diese Struktur hineingebe, wenn ich es richtig kombiniere. Ich habe ein Wortnetz gesponnen, das man miteinander kombinieren kann. Das macht halt ungeheuer viel Spaß, die Möglichkeiten sind wirklich riesig. Ich kann mit einer Satzkarte acht Milliarden Sätze bilden!“ Das Neue daran ist, dass Kasem mit einem Prinzip arbeitet, das schon Computern „das Sprechen“ beigebracht hat.

Ansatz brachte Unterricht mit Flüchtlingen

Die Idee zu ihrem innovativen Ansatz hatte Kasem beim Unterrichten von Flüchtlingen vor zweieinhalb Jahren. „Ich bin Sprachwissenschaftlerin der alten Schule“, erzählt Kasem. Sie habe gemerkt, dass die Schüler zu schnell mit zu viel Strukturen befüllt werden. Das funktioniere aber schlecht, vor allem wenn die Menschen aus ganz anderen Sprachfamilien kommen. So habe sie begonnen, Kärtchen zu schreiben, die sie farblich differenziert hat. „Und da habe ich gemerkt: Die Leute sprechen gerne, die Schüler wollten immer mehr!“ Das ging so weit, dass Kasem besonders schwierige Worte für manche Unterrichtseinheiten auswählte, wie zum Beispiel Fernheizwerk, Straßenbahnhaltestelle, Müllverbrennungsanlage oder Umspannwerk. „Und es hat funktioniert!“, freut sich die Wissenschaftlerin.

Ihre Arbeit als Bildhauerin hat ihr bei der Entwicklung der zukunftsträchtigen Lehrmethode geholfen: „Was man dabei lernt, dass man hartnäckig sein muss, dass man die Form, die man erwartet, suchen muss, dass sie nicht vorgegeben ist, sich entwickeln kann und darf.“ Kasem blieb hartnäckig und fand Wege, das Projekt zu finanzieren: „Durch Kulturvernetzung fand ich einen Drucker, mit Fördermitteln konnte ich die haptisch schönen Arbeitsmaterialien gestalten.“

Nahezu allen Pädagogischen Hochschulen und Universitäten in Österreich, Deutschland und der Schweiz hat Kasem ihr Grammatikkarussell geschickt, zu einer Präsentation kam es aber nur in Hamburg. „Dort durfte ich vor einem Lehrerkollegium vortragen und konnte dann jemanden finden, der das sogar an ein Gymnasium in Hamburg genommen hat. Ich bin sehr stolz darauf, denn es ist ja auch unser österreichischer Wortschatz, der da jetzt in Hamburg verwendet wird.“ Denn statt von „Aprikosenklößen“ lernen die Kinder in Hamburg jetzt von „Marillenknödeln“.

Ihr großer Wunsch wäre, dass das Lernen generell auf diese Art umgestellt wird: „Es muss nicht mit meinen Dingen geschehen, aber das Konzept umzusetzen, erhält die Freude an der Sprache und stellt sicher, dass die Kinder in unserem Land einander auch noch morgen verstehen können.“

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